Freitag, Januar 05, 2007

Die polnische Community in München organisiert ein Konzert. Ich bin eine der Organisatoren. Auf einmal erfahre ich, dass ich auch auftreten soll und zwar als Sängerin. Ich wird als zweite singen, vor mir erscheint eine sehr berühmte Sängerin mit einer fantastischen Stimme.

Mist, denke ich. Ich kann ja absolut nicht singen und wenn diese fantastische Sängerin vor mir singt, dann werden alle den Unterschied merken. Wenn ich wenigstens am Anfang singen würde, dann wäre der Kontrast nicht so krass.

Ich erkundige mich bei einem der Event-Veranstallter, ob man meinen Auftritt nach vorne verschieben könnte. Das geht aber nicht, die Frau hat schon angefangen und sie ist echt saugut.

Ich komme auf die Idee, dass ich die Leute überzeugen muss, dass sie alle zusammen mit mir singen. Ich würde dann absichtlich etwas leiser singen und dann würde man meine Stimme nicht hören. Ich bin mit diese Idee sehr zufrieden und auch ziemlich sicher, dass es klappen wird. Ich bin ja sehr nett und kann mit den Leuten so umgehen, dass sie Sympathie zu mir spüren und auf meine Idee eingehen. Ich muss nur solche Songs wählen, die alle mögen und die deren Texte alle auswendig können. Also am besten Schlager aus den sechzigern und siebzigern. Ich versuche mich an welche zu erinnern aber denke gleichzeitig, dass ich jetzt keinen allzu festen Programm machen soll, weil alles eh davon abhängt, wie die Leute reagieren.

Ich höre begeisterten Applaus nach dem Auftritt meiner Vorgängerin. Sie verschwindet aus der Bühne und der Organisator sagt, dass ich jetzt an der Reihe bin. Ich steige auf das Podium, schaue mir die Leute an. Das Publikum ist gemischt, vor allem Leute im vierzig herum, aber auch ein Paar ältere und ein Paar Studenten. 'Ich soll auf jeden Fall auch Chanson versuchen, Studenten mögen es' - denke ich.

Ich begrüße die Leute und stelle mich vor. Sie fangen an zu klatchen, denn sie denken, dass ich mit der Ansage schon fertig bin. Ich warte aber den Beifall ab und setze fort, dass ich will, dass sie mit mir singen, dass ich sie auf so eine sentimentale Reise in die Vergangenheit mitnehme.

Ich fange an zu singen. Meine Stimme ist sehr schwach und zittert, aber bald schließen sich die Leute an und ich fühle, dass ich gerettet bin. Auf einmal befinde ich mich in einem riesengroßen Dom, alle Sitzbänke sind mit Leuten gefühlt, alle singen das von mir intonierte Lied. Die Stimmung ist sehr pathetisch.

Ich gehe das Hauptschiff entlang, bis zum Presbyterium, welches sich in einer gewissen Entfernung von den Sitzbänken befindet. Der Gesang wird immer leiser, bis ich ihn kaum hören kann. Ich knie mich nieder und empfange die Kommunion. Der Priester reicht mir eine in goldenes Papier umhüllte Praline mit einer halbflüssigen Haselnussfüllung. Ich nehme die Praline, beiße ein kleines Stück ab. Sie schmeckt sehr gut. Ich beiße noch ein mal. 'Wie gut, dass ich hier ins Presbyterium gekommen bin, sonst müsste ich mich da hinten mit anderen Leuten drängen und hier kann ich die Praline ruhig genießen' - denke ich. Ich esse den letzten Bissen und gehe zurück zu den Leuten. Ich will besser hören wie die Leute singen. Ich bin stolz, denn ich war Schöpferin dieses Gesanges.